Gerd Lux hat schon immer viel und gerne gearbeitet. Für Krankheiten hatte er eigenen Angaben zufolge nie Zeit. Bis auf die ein oder andere Erkältung ging es ihm auch immer gut, weshalb er 40 Jahre lang nicht beim Arzt war. Im November 2014 hat der selbsterklärte Workaholic dann einen mittelschweren Schlaganfall erlitten und ist seit dem in physio- und ergotherapeutischer Behandlung. Im Gespräch mit Arne Törber, Orthopädietechniker und Leiter des Fachbereiches Neurorehabilitation bei Hempel GesundheitsPartner, erzählt Herr Lux seine Geschichte.
Herr Lux, wie hat sich der Schlaganfall ereignet?
Ich bin morgens aufgewacht und konnte meine linke Körperhälfte nicht mehr bewegen. Diese Art von Anfällen hatte ich schon ein paar Mal ohne dass ich es gemerkt habe. Die Anfälle waren immer morgens, kurz vor dem Aufstehen und dauerten etwa eine halbe Stunde an. Dann konnte ich wieder aufstehen und mich bewegen. Mir ist erst später klargeworden, dass es sich um eine Art Schlaganfall gehandelt haben muss. Ich bin aber nie zum Arzt gegangen, da es mir kurz nach den Vorfällen körperlich wieder gut ging. Der letzte Schlaganfall im November 2014 blieb dann aber dauerhaft. Nachdem keine Besserung zu erwarten war, habe ich einen Tag später die Feuerwehr angerufen.
Sie haben erst einen Tag später den Notarzt gerufen? Bei diesen Symptomen kommt es doch auf Minuten an.
Im Nachhinein ist mir natürlich bewusst, dass ich viel schneller hätte reagieren sollen. Damals habe ich gedacht: „Ein Indianer kennt keinen Schmerz.“ Ich bin viele Jahre ohne Arztbesuche ausgekommen. Es hat mich einfach immer gestört, dass man so schwer Termine bekommt und dann auch noch so lange darauf warten muss. In der Situation war das sicherlich nicht die klügste Entscheidung.
Im Krankenhaus hat man aufgrund der verzögerten Aufnahme keine konkrete Ursache für den Schlaganfall mehr feststellen können. Wahrscheinlich hat ein stark erhöhter Blutdruck den Anfall ausgelöst. Da ich 40 Jahren lang nicht beim Arzt war, wusste ich natürlich nicht, dass ich an Bluthochdruck leide.
Nach Ihrem Schlaganfall lagen Sie zunächst im Krankenhaus. Wie ging es nach der stationären Behandlung für Sie weiter?
Ich war nach dem Krankenhausaufenthalt etwa dreieinhalb Monate von Mitte Dezember bis Ende März in der Früh-Rehabilitation. In dieser Zeit habe ich langsam wieder das Laufen erlernt. Anfangs habe ich mich einfach aus dem Bett heraus in den Rollstuhl gesetzt, um meinem Grundbedürfnis nachzugehen. Dafür habe ich von den Krankenschwestern aber einen Rüffel bekommen. Wenn man noch nie auf Hilfe angewiesen war und auch keine annehmen wollte, kostet es große Überwindung, darum zu bitten. Daran musste ich mich erstmal gewöhnen.
Haben Sie die Schwere und Folge Ihres Schlaganfalls damals schon begreifen können?
Nicht wirklich. Ich dachte, dass der Zustand nur vorübergehender Natur sein wird. Der Arzt sagte, dass fast alles wieder in Ordnung kommen würde, konnte aber keinen Zeitraum nennen. Größtenteils hatte er recht. Ich habe zwar noch einige Behinderungen und werde einige Fähigkeiten nicht wiedererlangen können. Aber vom Kopf her bin ich relativ klar, auch wenn der Schlaganfall natürlich kognitive Beeinträchtigungen nach sich gezogen hat.
Sie waren damals gelähmt und waren auf den Rollstuhl angewiesen. Wie schnell haben Sie Fortschritte gemacht?
Es hat knapp vier Wochen gedauert, bis ich überhaupt mal wieder ein Bein oder den Arm bewegen konnte. Ich habe es alle paar Tage probiert, aber es hat sich wenig getan. Mir war die Therapie anfangs auch zu viel. Ich war froh, als ich mich um 18 Uhr endlich in mein Bett legen konnte. Man hat ja nicht nur mit den körperlichen Anstrengungen zu tun. In einer Rehaklinik prasseln sehr viele neue und ungewohnte Eindrücke auf einen ein, die man erstmal verarbeiten muss. Unter dieser Reizüberflutung habe ich auch nach der Entlassung noch gelitten. Ich bin zum Beispiel das erste dreiviertel Jahr nur ein bis zwei Mal mit der U-Bahn gefahren. Die Leute, die Eindrücke, das Gewusel: Das war mir einfach zu viel.
Wie ging es nach Ihrem knapp vier monatigen Aufenthalt in der Reha weiter? Waren Sie auf Pflege angewiesen?
Ich war körperlich so weit genesen, dass ich keinen Pflegedienst benötigt habe. Da ich alleine lebe, wurde ich mit dem Krankenwagen einfach in meine Wohnung gefahren. Einen Rollator und einen Gehstock haben sie mir noch mitgegeben. Meine Mutter hat mich im Haushalt unterstützt und der Rollator war mein Helfer beim Einkaufen.
Sie wurden also nach circa vier Monaten in Ihre Wohnung gebracht und waren plötzlich wieder mit Ihrem Leben vor dem Schlaganfall konfrontiert?
Genau, und darüber war ich sehr froh. Die Reha und die Aufenthalte in den Kliniken können eine Tortur sein. Ich bin sehr lärmempfindlich geworden, da im Zweibettzimmer ständig Gäste oder Personal ein- und ausgegangen sind. Irgendwann hat mich einfach alles genervt. Man hört auf den Gängen schon morgens um halb sechs die Wagen der Schwestern und Punkt 6 Uhr geht das Licht an. Für einige Zeit habe ich ein Einzelzimmer bekommen, das war schon angenehmer.
Wie ging es für Sie beruflich nach der Reha weiter?
Zum Zeitpunkt des Schlaganfalls war ich arbeitssuchend gemeldet und wurde dann erstmal krankgeschrieben. Ich habe aber nicht die vollen 72 Monate in Anspruch genommen, sondern mich schon früher gesundschreiben lassen. Weitere sechs Monate habe ich Hartz IV bezogen. Wegen meines Behindertengrades habe ich zu meinen Bezügen noch Zuschüsse erhalten.
Haben Sie während dieser Zeit Unterstützung von Beratungsstellen bekommen oder Kontakt zu Selbsthilfegruppen gesucht?
Vielleicht wirkt das in meiner Situation etwas egoistisch, aber ich habe keinerlei Austausch mit anderen Betroffenen gesucht. Ich habe mich gut versorgt gefühlt. Wegen Wortfindungsproblemen und Schwierigkeiten bei der Aussprache wurde ich von einem Logopäden behandelt. Außerdem war ich noch fast ein Jahr ambulant bei einer Neuro-Psychologin. Den Kontakt habe ich von meiner Hausärztin bekommen, da es in Berlin wohl nur sehr wenige Neuro-Psychologen gibt, die ambulant behandeln.
Was macht eine Neuro-Psychologin?
Sie fördert die kognitiven Fähigkeiten, also z. B. die Wahrnehmung von Ereignissen, dessen Verarbeitung und die Reaktion darauf. Ich hatte anfangs Schwierigkeiten, Geschehnisse in meinem Umfeld zu registrieren, habe am Bahnsteig zum Beispiel geträumt und bin in die falsche U-Bahn eingestiegen. Ich war durch den Wind und habe in gewissen Situationen verwirrende Dinge getan. Ich habe neuro-psychologische Hilfe benötigt, um meine Wahrnehmung zu verbessern.
Hatten Sie nach der Reha aufgrund der Halbseitenlähmung noch große Bewegungseinschränkungen?
Ja, meine Hand und mein Bein waren immer noch gelähmt. Ich konnte sie zwar viel besser als zu Beginn des Schlaganfalls bewegen, aber die Koordination war und ist immer noch schwierig.
Haben Sie sich in eine ambulante physio- und ergotherapeutische Behandlung begeben? Wie und wonach haben Sie die Praxen ausgewählt?
Da ich aus dem IT-Bereich komme, habe ich vorrangig online gesucht und mir erstmal viele Erfahrungsberichte durchgelesen, was streckenweise verwirrend war. Die Therapie läuft nach jedem Schlaganfall einfach anders ab. Der Eine macht schnellere Fortschritte, der Andere braucht Zeit. Man kann Schlaganfälle nicht miteinander vergleichen. Ich habe aber tatsächlich eine sehr gute Hausärztin, die sich viel Zeit für mein Anliegen genommen und mich unterstützt hat.
Zu Beginn war mir die Erreichbarkeit zu Fuß wichtig – der Einfachheit halber. Diese Praxen haben mich aber dauerhaft nicht überzeugen können, weshalb ich mich nach einem halben Jahr nach neuen Möglichkeiten umgesehen habe. Zu dem Zeitpunkt hatte ich mich auch wieder getraut, U-Bahn zu fahren. Die Praxis von Hempel Rehabilitation & Bewegung ist jetzt die Dritte, bei der ich auch Schlussendlich geblieben bin. Hier mache ich meine Ergotherapie.
Anfangs bekam ich von meiner Hausärztin nur wenig Therapiezeit verordnet. In den ersten drei Monaten habe ich deshalb immer 10 bis 20 Minuten privat bezahlt. Ich wusste nicht, dass ich Anspruch auf mehr Zeit hatte. Mein Physiotherapeut hat mich während der Behandlung darauf gebracht, mehr Behandlungszeit zu beantragen. Ich kann nur jedem Betroffenen die Empfehlung geben, mehr Zeit einzufordern, wenn sie benötigt wird. Seit ca. anderthalb Jahren habe ich zwei Mal in der Woche für anderthalb Stunden Ergotherapie und weitere zwei Mal pro Woche für anderthalb Stunden Physiotherapie.
Wie geht es Ihnen aktuell seit dem Vorfall vor nunmehr fast dreieinhalb Jahren? Welche Einschränkungen haben Sie noch?
Mir fehlen Bewegungsmuster für die linke Hand, weshalb meine Handfunktion eingeschränkt ist. Ich kann die Finger nur sehr langsam öffnen und die Drehbewegung in eine Richtung ist schwierig für mich, da sich die Finger schnell wieder zusammenziehen. Für den Daumen trage ich seit einiger Zeit eine Orthese. Diese verhindert, dass er nach innen zieht. Wenn ich entspannter bin, z.B. nachts, brauche ich sie nicht. Da kann ich die Finger besser strecken. Die Schnelligkeit in den Bewegungen und die Feinmotorik ist aber nicht mehr vorhanden. Dann habe ich noch einen sehr unangenehmen Reflux. Sobald ich mich körperlich übernehme, und das kann schon normales Laufen sein, steigt saurer Mageninhalt nach oben in Richtung Speiseröhre. Außerdem habe ich noch Streckspastiken im Bein. Wenn ich mich morgens strecke, dann spannt das ganze Bein an und der Fuß zieht nach unten.
Wie äußert sich die Spastik im Bein?
In der Hüfte kann ich das Bein schlecht heben und im Knie schlecht beugen – und der Fuß geht nach unten. Besonders wenn ich keine Kraft mehr habe, z. B. nach der Physiotherapie. Dann mache ich Ausgleichsbewegungen und hebe die Hüfte an, um nicht am Boden hängen zu bleiben. Um auch mal längere Strecken gehen zu können, trage ich seit einem Jahr eine Fußheberorthese, die mir sehr hilft. Die Orthese ist aus Carbonfaser und dadurch sehr leicht und angenehm zu tragen. Diese habe ich hier bei Ihnen bekommen, wie auch die Handschiene.
Wurden Sie von unseren Orthopädietechnikern mit Orthesen versorgt, bevor Sie sich für eine Therapie bei uns entschieden haben?
Ja, aber nur für den Fuß. Damals kam der Techniker in die Physiotherapiepraxis und hat gemeinsam mit mir und meiner Therapeutin die Orthese ausgesucht. Die Orthese für den Daumen habe ich erst bekommen, als ich zu Ihnen in die Ergotherapie gewechselt bin und Ihr Therapeut mir dazu geraten hat. Die trage ich aber nur tagsüber, wenn ich unterwegs bin.
Als ich auf der Suche nach einer neuen Ergotherapie-Praxis war, haben mich schlussendlich Ihre Mitarbeiter überzeugt. Sie haben sich intensiv um mich bemüht, sich Zeit genommen und wussten, wovon sie sprechen. Ich fühlte mich sehr gut betreut von dem Orthopädietechniker. Während der Versorgung habe ich gesehen, dass Sie auch Therapie anbieten.
Welche Therapie machen Sie bei uns in der Ergotherapie?
Am Anfang habe ich die Therapie mit der Saeboflex-Orthese gemacht. Die Federn in der Orthese ziehen meine Finger in die Streckung. Das hat mir sehr gut getan. Nach längerer Pause haben wir letzte Woche wieder damit begonnen, denn das Greifen ist noch verbesserungswürdig bei mir. Diesmal haben wir den Schwierigkeitsgrad erhöht und größere Bälle genommen.
Außerdem trainiere ich noch am Armeo-Spring, einem softwareunterstützten Armtherapiegerät. Das ist ein tolles Gerät, das ich gerne auch für zu Hause hätte. Die Kombination aus dem Spielerischen und Ehrgeiz, der geweckt wird, motiviert mich sehr. Ich finde es toll, dass ich bei Ihnen mit ganz modernen Therapiegeräten arbeiten kann.
Es freut uns sehr, dass Sie so gute Fortschritte machen und zufrieden sind bei uns. Wie ist ihr Alltag derzeit strukturiert. Gehen Sie wieder Arbeiten?
Ich arbeite wieder bei meinem alten Arbeitgeber in der Softwareentwicklung, aber in Teilzeit. Es gibt mir ein gutes Gefühl, gebraucht zu werden. Nach der Arbeit gehe ich dann zu meinen Therapiestunden oder zum Aqua-Fitness im Bewegungsbad – das variiert immer. Yoga und Pilates habe ich auch schon gemacht. Ich finde es wichtig, komplexe Bewegungen auszuführen. Im Fitness-Studio war ich auch schon angemeldet. Mir ist wichtig, dass ich mich bewege – egal wie!
Wenn Sie jetzt zurückschauen zu den Wochen nach dem Ereignis: Was sind Ihre größten Fortschritte?
Dass ich anfangs im Rollstuhl saß und jetzt ein richtiger Fußgänger bin. Dadurch bin ich wieder in der Lage, aktiv am Leben teilzunehmen. Das ist ein tolles Gefühl. Die eingeschränkte Koordination wird immer bleiben, aber ich mache nach wie vor Fortschritte.
Haben Sie noch einen Rat für Betroffene?
Mir hat eine tägliche Routine geholfen und ganz wichtig: positives Denken. Es hätte mich schlimmer treffen können und ich bin jeden Tag dankbar dafür, dass ich mein Leben vor dem Vorfall zurückgewonnen habe – wenn auch mit Einschränkungen. Ich werde in diesem Monat 57 und habe vor, noch lange aktiv zu bleiben und Dinge zu unternehmen. Weiterhin rate ich Betroffenen, Hilfe anzunehmen. Sowohl finanzieller als auch therapeutischer Art. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man zum Beispiel in Kliniken oder Praxen sehr freundliches, rücksichtsvolles und hilfsbereites Personal vorfindet.
Herr Lux, Ich bedanke mich bei Ihnen für das offene Gespräch und wünsche Ihnen alles Gute und weiterhin einen so positiven Therapieverlauf.
Fokus Neurologie
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